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Hände bilden einen Kreis

Objektiv betrachtet sind alle Laien – doch auf ihrem ganz eigenen Gebiet sie alle absolute Fachpersonen, denn sie wissen so gut wie niemand sonst, wie es sich anfühlt, wenn der/die eigene Partner/in oder ein Familienmitglied an Krebs erkrankt: Es geht um die Teilnehmenden der Selbsthilfegruppe für Angehörige von Menschen mit Krebs in Kiel. Sie alle sind Expert*innen in der Doppelrolle, in der sie versuchen die krebskranke Person bestmöglich zu unterstützen und gleichzeitig haben sie eigene Bedürfnisse und Sorgen, die sie oft aus Rücksicht nicht mitteilen. Aber auch Angehörige von Menschen mit Krebs sind Betroffene, denn auch ihr Alltag wird erheblich durcheinandergewirbelt, ihre Kraftreserven werden ganz anders beansprucht, ihre Prioritäten werden verschoben. Andere Personen, die sich in derselben Situation befinden – so wie es in einer Selbsthilfegruppe der Fall ist – geben ihnen genug Raum, um mit genau dieser neuen Belastung besser umzugehen.

Porträt Claudia AhlsweEine von ihnen ist Claudia Ahlswe, deren Ehemann im Sommer 2017 an Krebs erkrankt. Nach einigen Monaten mit der neuen Lebensrealität macht sie sich auf die Suche nach einem Hilfeangebot und wird bei der Schleswig-Holsteinischen Krebsgesellschaft fündig: ein Seminar für Angehörige von Krebspatient*innen. Bei der Vorstellungsrunde am ersten Seminartag fließen viele Tränen, obwohl sich alle noch vollkommen fremd sind. Am Ende des Seminars ist vielen dann klar, wie gut es ihnen tut sich in einem anderen als dem familiären Umfeld auszutauschen und dass sie den Kontakt zueinander gern aufrechterhalten wollen. Sie gründen eine Selbsthilfegruppe. Für die Leitung der Gruppe meldete sich Claudia Ahlswe freiwillig, denn sie wusste schnell: „Da hätte ich Lust zu.“

„Input von außen ist wichtig.“

Einmal pro Monat trifft sich die Gruppe in der Kieler Geschäftsstelle der Schleswig-Holsteinischen Krebsgesellschaft und bekommt häufig neue Anstöße von außen durch Vorträge und Referent*innen-Besuche, beispielsweise vom Pflegedienst, dem Deutschen Roten Kreuz, der Rentenversicherung u.v.m. Auch in den Gesprächen untereinander geht es häufig um ganz praktische Fragen: Was habe ich an Möglichkeiten, mich im Beruf freistellen zu lassen, um diese schwere Zeit besser zu überstehen und mehr Zeit mit meinem Partner zu verbringen? Was ist ein Palliativteam? Was muss ich bei einer Patient*innenverfügung beachten? Welche Hilf kann ich noch beantragen, um die Situation zu erleichtern?

Jede und jeder bringt unterschiedliche Kenntnisse und eigene Erfahrungswerte mit und hilft auf diese Weise anderen in der Gruppe weiter. Claudia Ahlswe nimmt sich als Gruppenleiterin auch mal Dinge mit nach Hause, recherchiert, liest und fragt nach, um beim nächsten Treffen ihr Wissen weiterzugeben. Auch erinnert sie monatlich an die Treffen und versendet ein Kurzprotokoll, um alle auf dem aktuellen Stand zu halten, wenn beispielsweise Referent*innen zu Gast waren.

Ein Begegnungsangebot mit vielen Möglichkeiten

Ein Gespräch unter den Teilnehmenden entwickelt sich meist ganz natürlich, ohne viel Moderation durch sie, berichtet Claudia Ahlswe. Sie achtet jedoch darauf, dass alle an die Reihe kommen in den zwei Stunden. Die im Schnitt sechs bis acht Teilnehmenden und die Neuzugänge sollen die Zeit bekommen, sich zu öffnen und auch Rat von den anderen zu erhalten. Die Selbsthilfegruppe ist als Hilfe- und Begegnungsangebot sehr niedrigschwellig und doch ist es nicht für jeden oder jede passend. Das wurde ihr in den mehr als zwei Jahren ihrer Gruppenleitung auch deutlich. „Wir hatten eine Teilnehmerin, die so sehr weinen musste, wenn sie versucht hat etwas zu sagen, dass man sie gar nicht mehr verstehen konnte. Sie konnte sich überhaupt nicht beruhigen und ist dann leider auch nicht noch einmal gekommen. Es war ihr alles zu viel.“

Alles hat seine Zeit

Einen echten Einschnitt gab es als das erste Gruppenmitglied den eigenen Partner an den Krebs verlor im Jahr 2019. Die Stimmung war danach eine andere, denn die Hoffnung „dass alles schon wieder gut wird,“ hatte einen Riss bekommen. Der dringliche Hinweis an alle, sich beispielsweise frühzeitig um einen Hospizplatz zu bemühen, überforderte viele Teilnehmende: „Das wollten wir alle noch gar nicht hören.“ Auch Claudia Ahlswe verlor kurze Zeit später ihren Ehemann.

Ihre Arbeit in der Gruppe empfindet sie im Rückblick als ihre persönliche Art der Trauerbewältigung, denn sie brachte Ablenkung und auch Freude – einer Trauergruppe wollte sie sich nicht anschließen. Auch sind enge Kontakte zu einigen der Teilnehmenden entstanden, die sie auch außerhalb der Gruppentreffen pflegt. Nun übergibt sie die Leitung der Gruppe an Wolfgang Seyb, ebenfalls ein Teilnehmender der Angehörigen-Gruppe. Sie möchte Abstand gewinnen zu der Erkrankung Krebs und das Kapitel in ihrem Leben abschließen. Alles hat seine Zeit. Glücklicherweise wird sie der Krebsgesellschaft als ehrenamtliche Mitarbeiterin in anderen Bereichen erhalten bleiben.

Liebe Claudia Ahlswe, vielen Dank für das große Engagement als Leiterin der Selbsthilfegruppe in den vergangenen Jahren!

Wolfgang Seyb PorträtWir freuen uns sehr, dass Wolfgang Seyb die Gruppenleitung ab sofort übernimmt. Der 55-Jährige lebt seit 22 Jahren mit seiner Frau und zwei Kindern in Kiel und arbeitet als Diplom-Kaufmann und -Geograf in der Verkehrsbranche.

Weiter Informationen zu den Gruppentreffen erhalten Sie hier.

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